Verfasst von Nathan, Emre, Felix und David
Montag, 18. Oktober 2021
Um 7 Uhr wache ich auf und streife mir die Kleidung über, die ich am Vortag bereits zurechtgelegt hatte. Eine verwunderliche Mischung aus Angst und Vorfreude macht es mir unmöglich mein Müsli herunter zu schlucken. Außerdem habe ich ständig das Gefühl etwas vergessen zu haben.
Eine Stunde später stehe ich am Bahnsteig wie 80 Mitschüler/innen. Die einen versunken in ihre verschwommenen, morgendlichen Gedanken, die anderen können vor lauter Erwartungen nicht aufhören zu reden. Für manche soll das die Reise ihres Lebens werden, einige überlegen sich, ob sie nicht lieber zu Hause geblieben wären. Jedenfalls steigen dann alle in den Zug ein, der durch die Landschaft rast und uns alle in die deutsche Hauptstadt führt. Sogar die Lehrer/innen scheinen sich zu freuen, sie erzählen sich untereinander Witze, die wir bestimmt nicht verstehen würden. Herr Bareis ist zufrieden mit sich selbst, denn dank ihm reisen wir besonders umweltfreundlich. Darauf sind aber natürlich alle stolz.
Bei der Ankunft in Berlin schauen sich alle um, ganz so anders sieht es hier wohl nicht aus, aber das Gefühl in einer großen Großstadt zu sein verleiht mir ein erhabenes Freiheitsgefühl. Ich lächle. Viele Baustellen hier, die ersten Vergleiche mit Stuttgart fallen. Anscheinend sind die S-Bahnen in Stuttgart sauberer.
Es ist fast Abend und alle Schüler/innen haben Freizeit, wir nutzen sie, um diese große Stadt kennenzulernen, die berüchtigten Berliner Döner und die Berliner Currywurst ergeben ein ausgewogenes Abendessen.
Ich bin pünktlich zurück im Hotel und kriege noch einen netten Besuch von den Lehrer/innen, sie wünschen mir eine gute Nacht. Freilich erwidere ich diese netten Wünsche.
Ich möchte diese Möglichkeit nutzen, um auch auf den allumgreifenden Wandel der Lehrer-Schüler-Beziehungen hinzuweisen. Vor allem in Berlin sind sich diese beiden Parteien, sonst durch Autorität und Alter getrennt, nähergekommen und man möge es teils sogar als Freundschaft bezeichnen. Das ist sehr schön.
Die erste Nacht vergeht in einem Flüstern, man zieht die ersten Bilanzen und verarbeitet in diversen Träumen seinen ersten Tag.
Dienstag, 19. Oktober 2021
Zum folgenden Morgengrauen treffen sich besonders motivierte Schüler/innen, zu denen ich mich stolz hinzuzähle, auf einen sportlichen Lauf mit den Lehrer/innen durch das erwachende Berlin.
Für mich ist dieser Dienstag besonders vollgepackt, nach dem Frühstück unternehmen wir einen Stadtrundgang: Berlin on Bike nennt dieser sich. Wir fahren unter der machtlosen Sonne des Berliner Vormittags und erkunden diese fremde Welt. Berlin ist wie die Stuttgarter Innenstadt in zehnfacher Größe und Schönheit. Klar, das ist nur meine Meinung, aber mich verführt die Tatsache, dass sich die Menschen hier nicht in die Augen schauen, wenn man sich auf der Straße begegnet. Ein Berliner ist ganz auf seinen Weg und sein Leben konzentriert, schließlich gibt es hier viel zu viele Menschen, als dass man jedem in die Augen schauen könnte.
Nach einer kurz geratenen Mittagspause treffen wir den frisch gewählten Bundestagsabgeordneten Max Mörseburg vor dem Paul-Löbe-Haus. Er ist auch auf TikTok aktiv und erklärt, warum es gar nicht so schlimm ist den Planeten zu verkohlen. Bei sonstigen Problemen soll man sich außerdem an die SPD wenden, sie sind die Ursache für sämtliche Unzufriedenheiten. Und die Wirtschaft ist seiner Meinung nach auch sehr wichtig, denn sonst kann sich hierzulande ja keiner mehr einen fetten Daimler leisten.
Im gesunden Ausgleich hierzu geht eine kleinere Gruppe anschließend zu einem lobbykritischen Stadtrundgang (der Rest dann am Freitag). Auch wenn meine Beine manchmal lauter stöhnen als der junge Mann von Lobbycontrol erklären konnte, hatte er viele spannende Sachen zu sagen. Lobbyismus ist ein Problem; da kauft man sich mit Geld politischen Einfluss.
Aber der Tag ist nicht fertig! Nach einem erneut sehr kurzen Abendessen besuchen wir ein interaktives, improvisiertes Theater. Kann ich nur weiterempfehlen. So. Dann bin ich wie ein Stein eingeschlafen.
Viel mehr als die einzelnen Stunden des Tages würde ich Ihnen gerne ein allgemeines Ambiente, die Stimmung und den Lebensstil vermitteln. Vergeben Sie mir also, wenn ich nicht auf alles genau eingehe.
Mittwoch, 20. Oktober 2021
Der Tag der Mitte der Woche beginnt mit einer personalisierten Stadtviertelerkundung. Man kann sich in Gruppen ein Stadtviertel aussuchen, hinfahren und dieses erkunden. Mit Menschen reden, Häuser anschauen, in stehende Autos reinschauen, über rote Ampeln laufen und sehen, was passiert. Kurz: Wie ein kleines Kind die Welt entdeckt, wollte ich Berlin entdecken. In meinem Fall Charlottenburg. Charlottenburg ist wie eine Kapsel, wie ein kleines blaues Schwimmbad auf einem riesigen Parkplatz. Hier leben viele friedliche, alte Menschen, die sich an ihren alten und dementsprechend billigen Mieten ergötzen und in einem süßen, grünen Stadtviertel leben mit täglichem Markt und einer wundervollen, backsteinern Kirche.
Am Nachmittag begeben wir uns zum Bendlerblock. Ebenso wie das Museum zur Topographie des Terrors, das anschließend auf dem Programm steht, gehört er zum dunklen Teil der deutschen Geschichte, die in Berlin viele Schlüsselmomente durchlief. Der Bendlerblock ist heute Ort für ein Museum, das sich mit dem Widerstand in der Nazizeit befasst. Bei der Topographie des Terrors beschäftigen wir uns mit der systematischen Gleichschaltung und der Unterdrückung durch Polizei und SS während des Dritten Reichs.
Berlin ist voller Geschichte, jeder Pflasterstein, den man betritt, hat wohl was Schönes oder Grausames erlebt. Es ist komisch, wenn man merkt, wie viel ein Pflasterstein wohl erlebt haben muss.
Donnerstag 21.Oktober 2021
Tagesprogramm klar, Stadtmuseum Hohenschönhausen, danach Wahlpflichtprogramm. Zuerst besuchten alle Schüler/innen in unterschiedlichen Gruppen das Museum Hohenschönhausen, ein ehemaliges DDR-Stasi-Gefängnis. Vor Ort haben einige Gruppen Zeitzeugen als Guides, anderer leider nur Historiker. Uns wird aufgezeigt mit welchen Mitteln, physisch und psychisch, gegen die Gefangenen vorgegangen wurde.
Nach der Tour und beim Verlassen der Anstalt kam ein sehr starker, plötzlicher und schlecht beschreibbarer Wind auf, welcher viele Schüler/innen überraschte.
Am Nachmittag gibt es für die Schüler/innen ein Programm, welches sie sich aus sechs Vorschlägen aussuchen können. Ich entscheide mich für das Humboldt-Forum (andere für das Olympiastadion, eine Ausstellung zum Foto des Jahres oder das Futurium). Vor Ort kann Herr Bareis mit herausragendem Wissen glänzen und die kleine Gruppe gut über die umliegenden Gebäude informieren. Im Forum besuchen wir eine Ausstellung, welche am besten als interessant zu beschreiben ist.
Nach dieser bereichernden Ausstellung nähert sich auch schon die Freizeit und die Schüler/innen versammeln sich in kleineren Gruppen, um den Abend ausklingen lassen.
Freitag, 22. Oktober 2021
Der Freitag, welcher unser letzter richtiger Tag in Berlin ist, verläuft relativ entspannt.
Ein Teil unserer Stufe darf noch den lobbykritischen Stadtrundgang erleben. Ein anderer Teil begibt sich auf einen Museumsmarathon. Ein Mitarbeiter der Organisation „Lobby Control“ erzählt uns, inwiefern Lobbyismus die aktuelle Politik beeinflusst und hat dies an Beispielen direkt vor uns gezeigt. Wir stehen zum Beispiel vor dem Sitz des deutschen Brauer-Bunds. Dieser zeichnet jedes Jahr eine/n Botschafter/in des Bieres aus. Es ist sehr interessant zu sehen, wie selbst öffentlich-rechtliche Unternehmen wie das ZDF von Lobbyismus geprägt sind.
Nach dem Stadtrundgang trifft sich die komplette Stufe für ein abschließendes Gruppenfoto vor dem Brandenburger Tor. Leider kommt die Gruppe von Herr Bareis unerwartet zu spät, weshalb seine Gruppe auf dem Bild fehlt.
Nach dem Foto hatten die Lehrer/innen Erbarmen mit uns und ließen uns die letzten Stunden in Berlin frei genießen.
Viele sind abends dann in Kleingruppen unterwegs, um (meistens sehr teuer) essen zu gehen.
Viele neue Kontakte wurden in der Zeit in Berlin geknüpft und Freundschaften sind entstanden.
Der letzte Abend wurde zum Morgen und alle waren sehr glücklich.